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Zeitzeugengespräch mit Zahava Kohn

Foto: Frau Hephzibah Rudofsky

Ein bilinguales Zeitzeugengespräch der besonderen Art erlebten zwei Geschichtskurse der Q11 und Q12 und die Klasse 9A am 07.11.2013. Zahava Kohn, geb Kanarek, war zur 75. Gedenkfeier zur Pogromnacht zusammen mit ihrer Tochter Hephzibah Rudofsky und ihrem Ehemann Ralph nach Dachau gekommen, um im Rathaus ihre Geschichte zu erzählen. Am Vormittag jedoch gab sie sich die Ehre und sprach vor den interessierten Schülerinnen und Schülern im Mehrzweckraum des ITG. Pfarrer Björn Mensing von der evangelischen Versöhnungskirche hatte das Zeitzeugengespräch für unsere Schule organisiert.

Während ihre Tochter in einer Power-Point-Präsentation in englischer Sprache über das Leben der Mutter informierte, ergänzte die 78-Jährige in fließendem Deutsch ihre Geschichte mit unglaublichen Erlebnissen aus ihrem Leben und beantwortete bereitwillig die Fragen der SchülerInnen.

Zahava Kohn kam 1935 in Palästina auf die Welt. Zwei Jahre später zogen ihre Eltern in ihr Heimatland Holland zurück, da ihre Mama das heiße Klima nicht vertrug. In Holland kam ihr Bruder Jehudi 1941 zur Welt. Die Verfolgung von Juden begann für sie damit, dass sie nicht mehr Schule gehen durfte. Der Versuch ihrer Familie, nach Honduras zu emigrieren, schlug leider fehl, da die Ausreisepapiere zu spät kamen. Da ihr Bruder strahlend blaue Augen und blondes Haar hatte, entschied ihre Mutter den Jungen in den holländischen Untergrund zu einer befreundeten Familie zu geben, um ihn vor der SA und SS zu schützen. So gelang es, ihn zu retten, erst vier Jahre später sollte die Familie wieder vereint sein, da Zahava mit ihrer Familie am 26. Mai 1943 ins Konzentrationslager Westerbork abtransportiert wurde. Dort verbrachten sie 9 Monate unter unbeschreiblichen Umständen. An den Gestank in den Schlafbaracken kann sie sich noch genau erinnern, da es keine Toiletten gab und sie in Dosen machen mussten. Jeden Montagabend wurde zudem eine Liste mit Namen veröffentlicht, die weiter nach Auschwitz transportiert werden sollten. Eines Abends wurden auch ihre Namen vorgelesen, doch kurz bevor die Familie in den Zug stieg, hörten sie eine Durchsage mit ihren Namen am Bahnsteig. Sie waren von der Liste gestrichen worden, weil sie eine britisch-palästinische Staatsbürgerschaft vorweisen konnten. „Es waren nur wenige Sekunden, die uns das Leben retteten.“, so Zahava Kohn. 1944 wurde die Familie schließlich in das KZ nach Bergen-Belsen gebracht, wo sie 1945, völlig entkräftet befreit wurden. „ Da wog ich nur noch 23 Kilo“.

Als sie bei ihren Großeltern ankommen, erfahren sie, dass ihr kleiner Bruder vom Roten Kreuz nach Schweden gebracht worden war, wo der Vater seinen Sohn nach vier Jahren wieder in die Arme schließen konnte.

Ihre Tante jedoch und weitere Familienmitglieder hatten nicht so viel Glück wie Zahava. Sie wurden in Auschwitz umgebracht.

Im Jahr 1958 ging Zahava nach England als Lehrerin, heiratete 1963 ihren Mann Ralph und hat heute drei Töchter und vier Enkel. Ihr Bruder Jehudi wurde Diplomat und Botschafter und lebt heute in Israel.

Ihre Eltern konnten nie über die Vergangenheit sprechen, hatten aber viele Andenken aus dieser Zeit aufgehoben, wie z. B. Fotos , Karten , Briefe, sogar den Judenstern, den sie auf ihre Kleider nähen mussten. Zahava fand diese Gegenstände, die ihre Mutter aufbewahrt hatte und entschloss sich erst vor 12 Jahren, im Alter von 66 über ihre Erlebnisse zu sprechen.

Inzwischen hält Zahava Kohn ihre Zeitzeugengespräche vor allem in England und Schottland, für die Gedenkfeier zur Pogromnacht war sie eigens aus London angereist und sprach zum ersten Mal in Deutschland vor Schülern.

Wie beeindruckt die SchülerInnen am ITG von der eleganten und liebreizenden Dame waren, zeigen folgende Zitate: „ Das Gespräch war eine sehr bewegende Erfahrung, die ich nicht missen möchte.“ „Ich war den Tränen nahe“. „Die Geschichte, die Zahava Kohn erzählt hat, war unglaublich traurig, aber ich bin sehr glücklich, dass die ganze Familie überlebt hat.“

 

 

Hedi Bäuml, ITG