Mittwoch, 31. Mai 2023 | Aktualisiert am 11.12.2019 |
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In seiner Einführung zu dem hervorragenden Ausstellungskatalog der Ignaz-Taschner-Ausstellung 1992 schreibt der Mitherausgeber Dr. Norbert Götz, die heutige kunsthistorische Bewertung Ignaz Taschners werde unter anderem dadurch erschwert, dass über ihn zu Lebzeiten und nach seinem Tod vor allem Anekdotisches berichtet wurde – z.B. in der Lebensbeschreibung, die Ludwig Thoma 1914 verfasst hat (1). Dieser Mangel wurde durch die hervorragenden kunstgeschichtlichen Analysen des Werks von Ignaz Taschner in dem erwähnten Ausstellungskatalog mehr als wett gemacht.
Als Enkel von Ignaz Taschner möchte ich heute nicht diese kunsthistorischen Analysen referieren – zumal ich kein Kunsthistoriker bin –, sondern ich habe vor, Ihnen meinen Großvater als Menschen etwas näher zu bringen, indem ich Ihnen einige Mosaiksteinchen aus der mündlichen Familientradition mitteile – indem ich also wieder mehr oder weniger Anekdotisches erzähle. Die Hauptquelle für diese Erzählungen und Bewertungen ist meine verstorbene Mutter Antonie Fischer-Taschner, die ihren Vater abgöttisch geliebt und als treue Tochter seinen Nachlass durch zwei Weltkriege hindurch zusammengehalten und gepflegt hat.
I
Die letzten Tage von Ignaz Taschner hat meine Mutter in ihren Erinnerungen so beschrieben: „Am 24. November 1913 war mein Vater mit Mutter beim Arzt. Der wunderte sich, daß Vater die Treppen hat steigen können, so schlecht war das Herz. Er verordnete sofort eine Kur in Meran. Am 25. November fuhr Mutter nach München, um Fahrkarten und Geld zu besorgen. Als sie gegen 13.00 Uhr heim kam (mit Maja, die sich von ihm verabschieden sollte), lag er im Sterben. Alle Ärzte konnten nicht mehr helfen“. Auf die Frage, warum Ignaz Taschner bereits mit 42 Jahren an Herzversagen gestorben sei, hatte meine Mutter immer folgende Antwort: Weil er mit seiner schwachen Gesundheit viel zu viel gearbeitet, sich regelrecht zu Tod gearbeitet hat. Wenn man bedenkt, dass er 1897, also erst mit 26 Jahren, den ersten größeren Auftrag erhalten hat, wird einem klar, dass er für sein umfangreiches Lebenswerk nur ganze 16 Jahre Zeit hatte. Kein Wunder, dass das sein schwaches Herz nicht mitgemacht hat.
Die schwache Gesundheit Ignaz Taschners führt die Familientradition darauf zurück, dass er als mittelloser Kunststudent in München viel gehungert hat. Über diese Zeit berichtet Ludwig Thoma in der erwähnten Lebensbeschreibung: „Der junge Akademiker lebte in der ersten Zeit im katholischen Gesellenhause, wo er sich neben alten Kunden und Walzbrüdern in die enge Ordnung zu fügen hatte, und wo er mit zwanzig Pfennigen für den Tag kärglich genug auskommen konnte.“ (2) Schon 1899 berichtet die frisch verheiratete Helene Taschner von „Ohnmachtsanfällen“ ihres erst 28 Jahre alten Mannes und zwei Jahre später von „schweren Nervenschmerzen im Kopf und Magen“, die ihn so quälten, dass er außer bei Ärzten und Kuren sogar bei einer „Gesundbeterin“ Heilung suchte. Aufgrund dieser Schmerzen musste er seine Arbeit im Atelier immer wieder unterbrechen, um sich hinzulegen (3).
II
Dass Ignaz Taschner sich zu Tod gearbeitet hat, erklärt sich die Familientradition damit, dass er ein leidenschaftlicher Kunstschaffender, ein kompromissloser Kreativer war. Er war immer mit seinem Kopf bei seinen Kunstprojekten. Meine Mutter erzählte zum Beispiel, dass Ihr Vater einmal mitten beim Essen einen Bleistift gepackt und in Ermangelung eines Papierblattes eine Skizze auf seine weiße Hemd-Manschette gezeichnet hat. Dieses leidenschaftliche Kunstschaffen Taschners nahm seiner Familie gegenüber die Form einer regelrechten Gesamtkunstwerks-Diktatur an. Er gestaltete nicht nur jedes Detail in seiner Mitterndorfer Villa selbst – Türen, Beschläge, Uhren, Öfen, Möbel –, sondern entwarf auch für seine Töchter Maja und Antonie tunikaartige Kleider, die sie anziehen mussten, auch wenn sie von der Mitterndorfer Dorfjugend entsprechend als g'spinnerte „Taschner-Goaßen“ ausgelacht wurden. Oder er schnitzte für seine Töchter schöne Puppen, ließ aber durch seine Frau immer wieder die Spielschränke der Töchter nach in seinen Augen geschmacklosen Zelluloidpuppen durchsuchen, die ihnen wohlmeinende Tanten geschenkt hatten. Diese Puppen wurden den Töchtern weggenommen, auch wenn sie sie noch so sehr liebten. Meine Mutter beschrieb diese ästhetische Polizeiaktion in ihren schriftlichen Erinnerungen ganz sachlich: „Ungefähr alle Halbjahre kontrollierte Mutter das Spielzimmer, ob Ordnung war und ob sich Kitsch eingeschlichen hatte. Dann wurde konfisziert“. Ignaz Taschner war also ein leidenschaftlicher Gestalter und Ästhet, aber bestimmt kein guter Pädagoge, jedenfalls nach heutigen Kriterien. Dass die Töchter, die eigentlich so wie alle anderen Kinder sein wollten und mit anderen Kindern spielen wollten, unter diesem ästhetischen Rigorismus auch gelitten haben, deutet meiner Mutter in ihren schriftlichen Erinnerungen ganz vorsichtig an: „Wir durften eigentlich keine Kinder einladen und kaum auf Besuch gehen. Wir waren zu zweit und hatten einen riesigen Garten, das sollte genügen. Manchmal schaute ich durch den Bretterzaun durch zu den andren Leuten“. Trotzdem hat meine Mutter ihren Vater über alles geliebt. In ihren Erinnerungen schreibt sie: „Den Vater haben wir unendlich verehrt und geliebt; die Mutter hat uns größte Rücksicht ihm gegenüber beigebracht. Wenn er im Haus war, sind wir auf Zehenspitzen gelaufen. Beim Modellstehen sind wir lieber umgefallen als ihn im Schaffen zu unterbrechen. ... Ich sehe ihn vor mir beim Baumschneiden: nur Hose an, auf dem Kopf Panamahut mit Vogelfederchen dran. Ich sollte die Reiser aufheben. Ein Ostern war besonders schön: wir alle haben mit Vater in dem großen Garten Nester gesucht. Und aus der Kegelbahn hörte man „mäh, mäh“, heraus kamen zwei Lämmchen mit blauen Schleifen und Glöckchen. Das war eine Osterfreude! …. Vater war am liebsten allein mit uns. Wenn Besuch fort war, sagte er 'Gott sei Dank, daß wir wieder allein sind'“.
Ein weiterer Grund für das Sich-zu-Tode-arbeiten war Ignaz Taschners Traum, eines Tages ganz unabhängig von Aufträgen im Atelier seines schönen Hauses in Mitterndorf arbeiten zu können. Und um diesen Traum finanzieren zu können, hat er nach nur zwei Jahren seinen schönen Posten als Professor an der Breslauer Königlichen Kunst- und Gewerbeschule aufgegeben und hat sich nicht dagegen gewehrt, dass der Berliner Stadtbaumeister Ludwig Hoffmann ihm in den kurzen acht Jahren zwischen Taschners Umzug nach Berlin und seinem Todesjahr Großauftrag über Großauftrag aufgebrummt hat: Architekturplastik an 10 Berliner Schulen, an einem Berliner Krankenhaus, an mehreren Bauten der Heilanstalt Buch bei Berlin, an einem Berliner Waisenhaus, am Neuen Stadthaus Berlin, im Märkischen Museum Berlin, dazu die Plastiken des Berliner Märchenbrunnens und obendrauf noch die Silber-Statuetten des sogenannten „Kronprinzensilbers“. Dazu kam ab 1907 der Bau seiner großen Villa in Mitterndorf, das Gestalten des 10 Tagewerk großen Gartens und das fortwährende Pendeln per Eisenbahn zwischen Berlin und Mitterndorf. Wie mühsam dieses ewige Hin und Her war, wird aus den schriftlichen Erinnerungen meiner Mutter deutlich: „Oft wurden wir [also die beiden Mädchen Maja und Antonie] zum Modellstehen nach Berlin gebracht; unsere Störnäherin Paula Moser fuhr dann mit. Wir mußten schon früh, ca. 5 Uhr aufstehen, wurden mit der Kutsche … an die Bahn gebracht, fuhren nach München, dann mit dem D-Zug weiter. Es brauchte damals an die 13 Stunden“.
Das riesige Arbeitspensum unter dauerndem Zeitdruck musste das stärkste Herz ruinieren, erst recht das schwache Herz von Ignaz Taschner. Als die Mitterndorfer Villa dann halbwegs fertig war, musste Taschner nach Schätzung meiner Mutter pro Jahr 10.000 Goldmark verdienen, um das riesige Anwesen erhalten zu können. Deshalb mussten immer weiter große Aufträge angenommen werden. Taschner hat sich also der Hetze des Berliner Baubooms unter dem Stadtbaumeister Ludwig Hoffmann und den Strapazen der Reisen von Berlin nach Dachau und umgekehrt unterworfen, um eines Tages seinen Traum vom ruhigen, selbstbestimmten Arbeiten im Atelier seines liebevoll eingerichteten Hauses in Mitterndorf verwirklichen zu können. Das ging gründlich schief. Ludwig Thoma hat mit Sorge den Stress seines Freundes gesehen und ihn immer wieder gemahnt, mehr auf seine Gesundheit aufzupassen. In einem Brief vom 13. Dezember 1909 schreibt er: „Ich hoffe, daß Du Deine Gesundheit & Ruhe in Mitterndorf wieder ganz und gar finden sollst, und ich meine, in diesem Jahr 1910 muß Du Dir eine lange und gründliche Erholung daheim verschaffen. Ist es denn nicht möglich, daß Du einen Teil der Arbeit wenigstens daheim machst? Ich denke, so große Aufträge könnten auch Hoffmann [also den Berliner Stadtbaumeister] veranlassen, das eine und anderemal nach Dachau zu kommen, und mit Dir im Reisen abzuwechseln, oder doch mit Dir eine gewisse Einteilung zu verabreden. Erstens, zweitens und drittens kommt immer Dein Wohlbefinden, und wenn Du das Tempo im Arbeiten angibst, muß H.[offmann] damit zufrieden sein; sonst kann es Dir passieren, daß Du einmal länger aussetzen mußt, um Deine Gesundheit zu reparieren, was Du mit Einteilung leicht vermeiden kannst. Ich habe immer Sorge wegen des Hastens, das sie in Berlin als selbstverständlich betrachten: Du darfst Dich wirklich nicht von den Galoppbrüdern verbrauchen und abhetzen lassen“ (4). Aber leider hat sich Ignaz Taschner zu wenig gegen die Auftragsflut und großstädtische Hektik gewehrt und hat sich zu Tode hetzen lassen.
III
Zum Schluss möchte ich noch zwei Etikettierungen von Ignaz Taschner korrigieren, die sich vor allem durch den 1921 von Ludwig Thoma und Alexander Heilmeyer herausgegebenen Gedenkband in den Köpfen von vielen Taschner-Verehrern festgesetzt haben.
In diesem Gedenkband hat Ludwig Thoma nach seiner Wende vom liberalen Spötter des Kaiserreichs zum deutschnationalen Eiferer nach dem 1. Weltkrieg seinen Freund Ignaz Taschner als „Nachkommen und Erben der großen fränkischen Meister“ (5) und „kerndeutschen“ (6) Hoffnungsträger der „Wiedergeburt deutscher Kunst“ (7) gepriesen. Der Kunstschriftsteller Alexander Heilmeyer, der sich später zum „Hauptschriftleiter“ der nationalsozialistischen Zeitschrift mit dem Titel „Die Kunst im Dritten Reich“ hochdiente, hat Ignaz Taschner zum „heimlichen Gotiker“ (8) und zum „deutsche[n] Romantiker“ (9) gemacht, dessen Kunst „nicht allein aus dem Gemüte, sondern aus dem Geblüte [kommt]“ (10). “Blut und Boden“ lässt grüßen! Alle diese Etikette des Werkes von Ignaz Taschner sagen mehr über Thoma und Heilmeyer mit ihrer nationalistischen Brille aus als über meinen fleissigen, kreativen, skurillen, lustigen, kindlichen Großvater, der zu Lebzeiten diese schwülstigen Lobeshymnen als „Schmarrn“ weit von sich gewiesen hätte. Es ist ein großes Verdienst von Dr. Norbert Götz, dem Organisator der Taschner-Ausstellung 1992 und Mitherausgeber des prächtigen Ausstellungskatalogs, Ignaz Taschner endgültig von diesem deutschtümelnden Schwulst befreit zu haben.
Und damit wären wir beim zweiten Etikett: Taschner als „bester Freund Ludwig Thomas“. Spätestens seit die aggressiven nationalistischen und antisemitischen Artikel, die Thoma in seinen beiden letzten Lebensjahren anonym für den „Miesbacher Anzeiger“ geschrieben hat, 1989 neu publiziert wurden, ist das Etikett „bester Freund von Ludwig Thoma“ nicht unbedingt mehr ein Kompliment, auf das die Nachkommen Taschners stolz sein könnten. Zur Ehrenrettung von Ignaz Taschner kann man sagen, dass er bereits vor dem ersten Weltkrieg und damit vor der nationalistischen Verhärtung Thomas gestorben ist. Aus den Erzählungen meiner Mutter wurde mir klar, dass die Freundschaft zwischen Taschner und Thoma ziemlich assymmetrisch war: Thoma hat Ignaz Taschner und dessen Frau Helene gebraucht als verschwiegene Vertraute, denen er seine privaten Probleme – zum Beispiel die Sorgen mit seiner Frau „Marion“ – erzählen konnte, ohne Angst vor Indiskretion haben zu müssen. Thoma hat Taschner gebraucht als Freund mit einer ganz normalen Familie, mit Ehefrau und zwei Töchtern, in der sich Thoma von seinem unruhigen und letzlich einsamen Leben ausruhen konnte. Taschner hat Thoma nicht so sehr gebraucht. Vielmehr hat er sich von seinem riesigen Arbeitspensum immer wieder mühsam Zeit für Thomas Bitten abgezwackt: für Illustrationen von Thomas Büchern, für Entwürfe und Ratschläge zum Bau der „Tuften“ in Rottach, für die Organisation des alljährlichen „Pippinger Vetranenfests“ an Fasching usw. Weil Thoma ihn immer bedrängt hat, mit ihm auf die Jagd zu gehen, hat Ignaz Taschner sogar das Schießen auf Tontauben gelernt und ist halt manchmal dem Ludwig zuliebe auf die Jagd mitgegangen, ohne jagerische Leidenschaften zu entwickeln. Und er hat sich immer wieder zusammen mit seiner Frau Helene Zeit abgezwackt, um mit Thoma dessen private Probleme zu besprechen. Er hat Thoma offensichtlich gern gehabt und hat sich deshalb mitten in seinem Stress Zeit für ihn genommen, was den Stress eher noch erhöht hat.
IV
So lebt Ignaz Taschner auch 100 Jahre nach seinem Tod in der Erinnerung seiner Nachkommen weiter als ein ungeheuer produktiver, fleißiger Bildhauer, Kunsthandwerker und Grafiker, der jedes Pathos verabscheute und sich deshalb mehr als Handwerker denn als genialischer Künstler fühlte und benahm; - der seine bayrische Heimat liebte und in liebevollen Grafiken und Illustrationen verewigte, ohne ein bayerntümelnder Provinzler zu sein; - der wie viele andere bayrische Bildhauer des ausgehenden 19. Jahrhunderts in München keine Chance auf große Aufträge hatte, dessen plastische Hauptwerke deshalb weit weg in der Hauptstadt Berlin standen und zum Teil noch stehen; - der seine beiden Töchter liebte und immer wieder als Modell für seine Plastiken bevorzugte; - der seiner gleichaltrigen Ehefrau Helene ganz altmodisch treu war; - der einen deftigen, oft skurillen Humor und eine kindliche Phantasie hatte; der also mit einem Wort ein liebenswertes Mannsbild war - was man nicht von jedem Künstler sagen kann. Auf so einen Großvater kann man durchaus stolz sein.
(1) vgl. GÖTZ/BERGER (Hrsg.) 1992: Norbert Götz / Ursel Berger (Hrsg.): Ignatius Taschner. Ein Künstlerleben zwischen Jugendstil und Neoklassizismus (Ausst. Kat.), München: Klinkhardt & Biermann, S. 12
(2) THOMA/HEILMEYER (Hrsg.) 1921: Ludwig Thoma / Alexander Heilmeyer (Hrsg.), Ignatius Taschner, München: Albert Langen, S. 10
(3) TASCHNER o.J.: Curriculum vitae. Lebensdaten Ignatius Taschners (1895-1913), Manuskript, aufgezeichnet von Helene Taschner. Stadtbibliothek München, Handschriftenabteilung, 132/72
(4) LEMP (Hrsg.) 1971: Ludwig Thoma: Ignatius Taschner. Eine Bayerische Freundschaft in Briefen. Herausgegeben und kommentiert von Richard Lemp, München: R. Piper & Co., S. 121 ff.
(5) THOMA/HEILMEYER (Hrsg.), S. 25
(6) THOMA/HEILMEYER (Hrsg.), S. 24
(7) THOMA/HEILMEYER (Hrsg.), S. 25
(8) THOMA/HEILMEYER (Hrsg.), S. 28
(9) THOMA/HEILMEYER (Hrsg.), S. 51
(10) THOMA/HEILMEYER (Hrsg.), S. 53
Am 25.11.2013 jährte sich der Todestag unseres Namensgebers der Schule, Ignaz Taschner, zum 100. Mal. Aus diesem Anlass fand eine große Gedenkfeier mit Übergabe des Taschner-Preises am ITG statt.
Ehrengäste der Veranstaltung waren Herr Ignaz-Fischer-Kerli und seine Schwester, die beiden noch lebenden Enkel des großen Künstlers. Nach der offiziellen Feier und dem gemütlichen Beisammensein in der Mensa ließen es sich die beiden nicht nehmen, um zusammen mit einer kleinen Delegation von Lehrerinnen und ehemaligen Lehrern des ITG das Grab des Großvaters auf dem Friedhof in Mitterndorf zu besuchen.
Dort legten StDin Hedi Bäuml im Namen der Schulleitung und die beiden Enkel die Blumen am Grab von Ignaz Taschner nieder. Dabei erzählte Ignaz-Fischer-Kehrli so manche Anekdote aus dem Leben seines Großvaters, die er von seiner Mutter, Antonie Fischer-Taschner, der Tochter von Ignaz Taschner, erfahren hatte. Er bezeichnet ihn als „fleißigen, kreativen, skurillen, lustigen und kindlichen“ Mann, dem „schwülstige Lobeshymnen“ fremd waren.
Nach Fischer-Kerli habe sich sein Großvater regelrecht „zu Tode gearbeitet“, da er für sein umfangreiches Lebenswerk nur „ganze 16 Jahre Zeit hatte.“ Er sei ein „leidenschaftlicher Kunstschaffender und kompromissloser Kreativer“ gewesen, der für seine Töchter Puppen schnitzte und sogar Kleider entwarf, die jedoch so gar nicht dem modischen Zeitgeist entsprachen. Als Folge davon mussten seine Mutter Antonie und ihre Schwester Maja auch den Spott und Hohn der Mitterndorfer Jugendlichen ertragen, die sie als „g’spinnerte Taschner-Goaßen“ bezeichneten. Der Enkel urteilt deshalb auch über seinen Großvater, dass er ein „leidenschaftlicher Gestalter und Ästhet, aber bestimmt kein guter Pädagoge, jedenfalls nach heutigen Kriterien“ gewesen sei.
Uns bleiben seine großartigen Werke, die wir zum Teil in unserer Schule noch bewundern können, der Taschner-Preis, der fortan in regelmäßigen Abstand an junge Künstler verliehen werden soll und die Erinnerungen seines Enkels Ignaz Fischer-Kerli:
„So lebt Ignaz Taschner auch 100 Jahre nach seinem Tod in der Erinnerung seiner Nachkommen weiter als ein ungeheuer produktiver, fleißiger Bildhauer, Kunsthandwerker und Grafiker, der jedes Pathos verabscheute und sich deshalb mehr als Handwerker denn als genialischer Künstler fühlte und benahm; - der seine bayrische Heimat liebte und in liebevollen Grafiken und Illustrationen verewigte, ohne ein bayerntümelnder Provinzler zu sein; - der wie viele andere bayrische Bildhauer des ausgehenden 19. Jahrhunderts in München keine Chance auf große Aufträge hatte, dessen plastische Hauptwerke deshalb weit weg in der Hauptstadt Berlin standen und zum Teil noch stehen; - der seine beiden Töchter liebte und immer wieder als Modell für seine Plastiken bevorzugte; - der seiner gleichaltrigen Ehefrau Helene ganz altmodisch treu war; - der einen deftigen, oft skurillen Humor und eine kindliche Phantasie hatte; der also mit einem Wort ein liebenswertes Mannsbild war - was man nicht von jedem Künstler sagen kann. Auf so einen Großvater kann man durchaus stolz sein“.
(Die Zitate entstammen der Rede von Herrn Fischer-Kerli anlässlich der Eröffnung der Taschner-Ausstellung in der Sparkasse Dachau am 07.11.2013.)
Hedi Bäuml